Künstliche Intelligenz in Anwaltskanzleien: Chancen, Risiken und Leitplanken laut Leitfaden der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
Von Datenschutz über Haftung bis zur praktischen Umsetzung.
Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in die juristische Praxis. Für Anwaltskanzleien bieten sich erhebliche Effizienzgewinne und neue Dienstleistungsmöglichkeiten – zugleich stellen sich aber auch neue haftungsrechtliche, datenschutzrechtliche und ethische Fragen. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat hierzu im Dezember 2024 einen umfassenden Leitfaden zum Einsatz von KI in Kanzleien veröffentlicht.
Im Folgenden fassen wir die wesentlichen Punkte dieses Leitfadens zusammen und zeigen, worauf Kanzleien achten müssen.
Bedeutung und Potenziale von KI für Anwaltskanzleien
Der Einsatz von KI-Technologien kann für Anwaltskanzleien einen hohen praktischen Nutzen bieten. Die BRAK geht davon aus, dass KI-Tools in Kanzleien erhebliche Effizienzgewinne ermöglichen können. Routineaufgaben lassen sich beschleunigen und große Informationsmengen schneller auswerten. Bereits heute kommen KI-Systeme in vielfältigen Bereichen zum Einsatz:
- Dokumentenanalyse und -erstellung: Automatische Durchsicht großer Datenmengen, Vertragsprüfungen, Drafting von Schriftsätzen.
- Recherchedienste: Schnellere Suche nach Rechtsprechung, Literatur und Normen.
- Kommunikationsunterstützung: Vorformulierung von E-Mails, Mandantenkorrespondenz.
- Kanzleiorganisation: Automatisierte Terminierung, Fristenüberwachung, Zeiterfassung.
- Übersetzung juristischer Texte
Insbesondere fortgeschrittene Sprachmodelle (sog. Large Language Models wie ChatGPT) beeindrucken dadurch, dass sie scheinbar mühelos in Sekundenbruchteilen juristische Texte generieren können. Darüber hinaus gibt es auch spezialisierte juristische KI-Anwendungen, die auf Rechtsdaten trainiert sind und beispielsweise bei der Vertragsprüfung oder Fallanalyse unterstützen.
Die Potenziale dieser Technologien liegen vor allem in der Zeitersparnis und Produktivitätssteigerung. So kann KI Routinearbeiten automatisieren und Anwältinnen und Anwälte entlasten, damit diese sich auf komplexere juristische Tätigkeiten konzentrieren können.
In Großkanzleien oder bei Massenverfahren mit einer Flut von gleichgelagerten Fällen kann der KI-Einsatz sogar entscheidend sein, um die Vorgänge effizient zu bewältigen. Kanzleien, die KI sinnvoll einsetzen, können einen Wettbewerbsvorteil erlangen und Mandantinnen und Mandanten schneller Ergebnisse liefern.
Allerdings betont die BRAK im gleichen Atemzug, dass mit den Chancen auch Risiken einhergehen. KI-Modelle arbeiten statistisch und ohne echtes Verständnis, was bedeutet, dass ihre Antworten zwar oft plausibel klingen, aber inhaltlich falsch sein können. Dieses Phänomen wird als “Halluzination” bezeichnet – die KI erfindet scheinbar logische Informationen, die tatsächlich falsch sind. Zudem besteht die Gefahr von Bias (Verzerrungen) durch unzureichendes oder einseitiges Trainingsmaterial, wodurch Ergebnisse verfälscht werden können. Gerade im juristischen Kontext können solche Fehler gravierende Folgen haben, etwa wenn falsche Angaben in Schriftsätzen oder in der Beratung gemacht werden.
Die BRAK macht deutlich, dass ohne sorgfältige anwaltliche Kontrolle der KI-Ergebnisse Haftungsprobleme drohen. Daher sind die nachfolgenden berufsrechtlichen Vorgaben und Vorsichtsmaßnahmen zentral, um die Potenziale der KI gefahrlos ausschöpfen zu können.
Rechtliche und berufsrechtliche Rahmenbedingungen
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unterliegen bei ihrer Berufsausübung strengen berufsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben – und diese gelten technologieunabhängig auch beim Einsatz von KI. Die BRAK stellt klar, dass die Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) und die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) technologieneutral formuliert sind und ihre Pflichten daher auch bei Nutzung von KI-Tools uneingeschränkt einzuhalten sind. Insbesondere entbindet der Einsatz von KI die Anwaltschaft nicht von der Verpflichtung, Mandantinnen und Mandanten eigenverantwortlich und unabhängig zu beraten. Das heißt, alle Entscheidungen und Ratschläge müssen weiterhin von der Anwältin oder dem Anwalt verantwortet werden – KI darf lediglich als Hilfsmittel dienen, niemals als Ersatz für die juristische Expertise.
Ein zentrales berufsrechtliches Prinzip ist der Grundsatz der gewissenhaften Berufsausübung (§ 43 BRAO) und der höchstpersönlichen Leistungserbringung. Letzteres bedeutet, dass Anwälte ihre Tätigkeiten im Zweifel persönlich ausüben müssen (§ 613 BGB). Überträgt man dies auf KI, so ergibt sich: Die anwaltliche Kerntätigkeit darf nicht vollständig automatisiert werden. KI-Tools können unterstützen, aber die Endkontrolle und finale juristische Bewertung müssen stets durch eine menschliche Juristin oder einen Juristen erfolgen. Andernfalls liefe man Gefahr, gegen das Berufsrecht zu verstoßen.
Neben den berufsspezifischen Regeln sind auch allgemeine rechtliche Rahmenbedingungen beim KI-Einsatz zu beachten. Insbesondere das Datenschutzrecht (siehe unten) und das Strafrecht (Stichwort Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB) setzen Grenzen, was mit sensiblen Daten und KI getan werden darf. Auch das Urheberrecht kann berührt sein, etwa wenn KI-generierte Texte geschützte Inhalte Dritter reproduzieren. Kanzleien sollten zudem vertragliche Regelungen prüfen: Werden KI-Tools z.B. im Mandantenauftrag eingesetzt, können sich vertragliche Aufklärungspflichten oder Informationspflichten ergeben. So betont die BRAK, dass Transparenzpflichten außerhalb des Berufsrechts – etwa aus dem Zivilrecht oder dem UWG (Lauterkeitsrecht) – relevant sein können.
Transparenz gegenüber Mandanten
Nach aktuellem Stand ergibt sich im Grundsatz weder aus der BRAO noch aus der BORA eine berufsrechtliche Pflicht zur Information Ihrer Mandanten über den Einsatz von KI. Hinweisen möchten wir aber darauf, dass sich auch außerhalb des anwaltlichen Berufsrechts - z.B. aus Vertragsrecht oder UWG - entsprechende Transparenzpflichten ergeben können.
Wenn KI bei einem Mandat eingesetzt wird, empfehlen wir dennoch dies offen zu kommunizieren und im Zweifel vertraglich zu regeln. Eine ausdrückliche Zustimmung des Mandanten ist jedoch rechtlich nicht zwingend. Im Sinne der Transparenz wäre diese aber zu überdenken.
Ein Blick in die nahe Zukunft
Auf EU-Ebene steht die Verordnung über Künstliche Intelligenz (sogenannte KI-Verordnung, engl. AI Act) vor der Umsetzung. Der BRAK-Leitfaden beschreibt die wichtigsten kommenden Anforderungen der KI-VO und deren Bezug zum anwaltlichen Berufsrecht. So müssen zum Beispiel Anbieter und Betreiber bestimmter KI-Systeme sicherstellen, dass ihr Personal über ausreichende KI-Kompetenz verfügt (Art. 4 KI-VO). Nach Einschätzung der BRAK dürften Rechtsanwälte im Kontext von Legal Tech häufig als „Betreiber“ gelten und sollten daher schon jetzt auf Schulung und Kompetenzaufbau achten.
Ab dem 02.08.2026 werden zudem Transparenzpflichten nach der KI-VO gelten, wonach KI-generierte Inhalte als solche kenntlich gemacht werden müssen (Art. 50 KI-VO). Für Kanzleien bedeutet dies bspw., dass man künftig offenlegen muss, wenn z.B. Schriftsatzentwürfe unverändert aus einer KI stammen. Die Offenlegungspflicht entfällt jedoch, sofern ein Anwalt den Text überprüft und verantwortet hat. Insgesamt stehen Berufsrecht und KI-Verordnung nebeneinander, d.h. ein KI-System kann zwar regulatorisch zulässig sein, aber dennoch gegen anwaltliche Pflichten verstoßen – und umgekehrt. Hier ist also Umsicht geboten, beide Regelwerke im Blick zu behalten.
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Datenschutzrechtliche Anforderungen
Beim Einsatz von KI in der Kanzlei spielen Datenschutz und Vertraulichkeit eine herausragende Rolle. Anwältinnen und Anwälte sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 43a Abs. 2 BRAO) – und diese Pflicht gilt uneingeschränkt auch bei der Nutzung von KI-Tools. Alle Informationen, die im Rahmen eines Mandats bekannt werden, unterliegen dem Berufsgeheimnis und dürfen nicht unbefugt an Dritte gelangen. Folglich ist größte Vorsicht geboten, wenn Kanzleidaten in KI-Systeme eingespeist werden, die von Drittanbietern betrieben werden.
Grundsätzlich dürfen vertrauliche Mandanteninformationen nur unter sehr engen Voraussetzungen externen KI-Anbietern offengelegt werden. § 43e BRAO regelt die Zulässigkeit von IT-Outsourcing – darunter fällt auch die Nutzung von Cloud-Diensten oder KI-Diensten. Demnach muss gewährleistet sein, dass der Dienstleister vergleichbare Verschwiegenheitsstandards einhält. Die BRAK empfiehlt, wenn irgend möglich, nur anonymisierte oder abstrahierte Eingaben an KI-Systeme zu tätigen. Konkret heißt das: Anfragen an ChatGPT & Co. sollten so formuliert sein, dass keine Rückschlüsse auf die Identität des Mandanten oder die konkreten Fallumstände möglich sind. Müssen Dokumente zur Analyse hochgeladen werden, sollten zuvor sämtliche personenbezogenen Daten und Fallnamen entfernt oder verfremdet werden. So bleibt das eigentliche Mandatsgeheimnis gewahrt.
Neben der berufsrechtlichen Verschwiegenheit ist das allgemeine Datenschutzrecht einschlägig. Sobald personenbezogene Daten verarbeitet werden, müssen die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) eingehalten werden. Für Kanzleien bedeutet das z.B., dass eine klare Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung vorliegen muss (meist wird berechtigtes Interesse in Betracht kommen, wenn die KI-Nutzung zur Mandatsbearbeitung dient). Weiterhin sollten mit KI-Dienstleistern, sofern sie als Auftragsverarbeiter agieren, entsprechende Auftragsverarbeitungsverträge geschlossen werden, die den Schutz der Daten sicherstellen. Die BRAK verweist in diesem Zusammenhang auf aktuelle Hinweise der Datenschutzkonferenz – beispielsweise die Entschließung vom 06.05.2024, in der Anforderungen an den datenschutzkonformen Einsatz von KI formuliert sind. Darin wird u.a. betont, dass bei der Nutzung von US-basierten KI-Diensten die datenschutzrechtlichen Vorgaben für internationale Datenübermittlungen zu beachten sind.
Für die Praxis lässt sich festhalten: Kanzleien sollten vorzugsweise sichere KI-Lösungen einsetzen, die hohen Datenschutzstandards genügen – idealerweise solche, die on-premise oder in der EU gehostet werden, damit sensible Daten das geschützte Umfeld nicht verlassen. Beispiele dafür sind u.a. die von uns angebotenen Lösungen - wie bspw. der KI-Agent AIMAX® und die RPA-Lösung EMMA mit Kognitiver KI. Wo das nicht möglich ist, müssen technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um Vertraulichkeit und Datenschutz zu gewährleisten (z.B. Verschlüsselung, Pseudonymisierung, strenge Zugriffsrechte). Der Schutz der Mandantendaten und die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht haben absoluten Vorrang vor etwaigen Komfortgewinnen durch externe KI-Dienste.
Empfehlungen für die Implementierung von KI in der Kanzlei
Der Leitfaden gibt konkrete Hinweise, wie Kanzleien die Einführung von KI verantwortungsvoll gestalten können:
Schritt 1: Bedarf und Risiken prüfen
- Wo kann KI wirklich Mehrwert schaffen?
- Welche Daten sind betroffen?
- Welche Risiken entstehen?
Schritt 2: Auswahl geeigneter Systeme
- Anbieter sorgfältig prüfen (Datenschutz, Support, Transparenz).
- Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung abschließen.
Schritt 3: Mitarbeiter sensibilisieren
- Schulungen zu KI-Kompetenz und Haftungsfragen anbieten.
- Klare Regeln für den Umgang mit KI-Systemen in der Kanzlei aufstellen.
Schritt 4: Kontinuierliches Monitoring
- Regelmäßige Überprüfung der KI-Ergebnisse.
- Dokumentation der Nutzung und Entscheidungen.

"Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist eine mögliche Arbeitserleichterung durch die Fähigkeiten von Künstlicher Intelligenz so willkommen wie selten zuvor.
Bei Fragen - bspw. zur Auswahl des Systems oder deren Implementierung in Ihren Kanzlei-Alltag - stehe ich Ihnen gern zum persönlichen Austausch zur Verfügung."
Chancen und Grenzen aus Sicht der BRAK
Die BRAK sieht KI als wichtiges Hilfsmittel, warnt aber vor einer Überschätzung:
Chancen:
- Effizienzsteigerung, insbesondere bei Routineaufgaben.
- Fehlervermeidung bei standardisierten Prozessen.
- Neue Beratungsformate für Mandanten (z.B. Self-Service-Angebote).
Grenzen:
- Komplexe juristische Bewertungen erfordern menschliche Expertise.
- Empathie, strategische Prozessführung und ethische Abwägungen bleiben unersetzbar.
5 häufige Fehler beim KI-Einsatz in Kanzleien
1. Unzureichende Prüfung von KI-Ergebnissen
KI liefert Entwürfe, keine fertigen Lösungen. Eine sorgfältige Plausibilitätskontrolle bleibt Pflicht.
2. Datenschutzverstöße durch unsichere Systeme
Die Nutzung von nicht DSGVO-konformen Tools gefährdet das Mandatsgeheimnis und kann abmahnfähig sein.
3. Fehlende Transparenz gegenüber Mandanten
Wird der KI-Einsatz nicht offen kommuniziert, kann das das Vertrauensverhältnis belasten.
4. Mangelhafte Mitarbeiter-Schulungen
Ohne Schulung fehlt oft das Bewusstsein für Risiken und Grenzen der Technologie.
5. Überschätzung der KI-Fähigkeiten
KI ist stark darin zu unterstützen, kann aber nicht komplexe rechtliche Bewertungen oder strategische Entscheidungen ersetzen.
Fazit: KI als Werkzeug mit Verantwortung nutzen
Der Leitfaden der BRAK (Stand Dezember 2024) verdeutlicht, dass Künstliche Intelligenz in Anwaltskanzleien ein großes Zukunftspotenzial besitzt, zugleich aber umsichtig eingeführt und genutzt werden muss. Kanzleien, die KI-Tools einsetzen möchten, finden in der Handreichung praxisnahe Empfehlungen, um Chancen und Risiken abzuwägen. Wichtig sind vor allem: die strikte Wahrung der Verschwiegenheit und des Datenschutzes, die gewissenhafte Überprüfung aller KI-Ergebnisse, transparente Kommunikation – intern wie extern – sowie fortlaufende Schulung und Dokumentation. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann KI zu einem wertvollen Helfer im Kanzleialltag werden. Dies zeigen der KI-Agent AIMAX® und die RPA-Lösung EMMA mit Kognitiver KI immer wieder - nicht zuletzt auch im Rahmen der diversen Use Cases im Kanzlei-Alltag.
Abschließend sei betont, dass die hier dargestellten Empfehlungen zwar speziell für Rechtsanwälte formuliert wurden, aber im Kern auch für andere Branchen gelten, in denen mit sensiblen Daten gearbeitet wird. Letztlich soll KI die menschliche Arbeit unterstützen, nicht ersetzen. Mit einem verantwortungsvollen Einsatz können Anwaltskanzleien die Vorteile der KI nutzen und zugleich ihrer hohen beruflichen Verantwortung gerecht werden – zum Wohle der Mandanten und der Qualität der Rechtspflege.